Von der finanziellen Freiheit höre oder lese ich gefühlt ständig. Das Internet ist voll mit Tipps und Ratschlägen, Tools zur Berechnung und Empfehlungen für Bücher, die das Thema von allen erdenklichen Seiten beleuchten. Da ist von der FIRE-Bewegung die Rede, von Frugalismus und Sparsamkeit im Allgemeinen. In diesem Artikel möchte ich nicht allzu viel wiederholen, sondern einen Schwerpunkt auf die für mich wesentlichen Faktoren auf dem Weg zur finanziellen Freiheit legen.
Inhaltsverzeichnis
Meine Definition von finanzieller Freiheit
Häufig liest man, dass finanzielle Freiheit mit dem Zustand gleichzusetzen wäre, in dem man sämtliche Fixkosten durch Kapitalerträge decken kann. Damit einhergeht dann meist, dass man nicht mehr arbeiten braucht. Ich möchte dieser Beschreibung nicht grundsätzlich widersprechen, dennoch sehe ich ein paar wichtige Aspekte anders:
Auch Fixkosten sind variabel
Als erstes möchte ich betonen, dass es einerseits Verbindlichkeiten gibt, wie zum Beispiel die Tilgung eines Kredits, die wirklich auf Jahre oder sogar Jahrzehnte als fix zu betrachten sind. Andere Kosten erscheinen erst fix, sind auf den zweiten Blick aber variabel. Als Beispiel kommen Beträge für das Fitness-Studio oder das Netflix-Abo in Frage. Aber selbst bei der Miete ließe sich im Zweifelsfall durch den Umzug in eine günstigere Wohnung Geld sparen, so dass ich persönlich in einem ersten Schritt drei Abstufungen der finanziellen Freiheit in Bezug auf die Fixkosten vornehmen würde:
- die finanzielle Freiheit, um gerade so irgendwie über die Runden zu kommen
- die finanzielle Freiheit, um den status quo zu halten
- die finanzielle Freiheit, um sich um den status quo keine Gedanken machen zu müssen und auch nicht um den ein oder anderen Luxus wie zusätzliche Urlaube usw.
Es gibt ähnliche Unterteilungen in finanziellen Schutz, finanzielle Sicherheit und finanzielle Freiheit, ich finde meine Kategorien aber aus diesen Gründen besser 😉 :
Selbstbestimmung > finanzielle Freiheit
Denn natürlich ist man auch schon finanziell frei, wenn man gerade so irgendwie über die Runden kommt – rein aus Kapitalerträgen. Letztlich unterscheiden sich meine drei Kategorien finanzieller Freiheit nicht nur in den Geldbeträgen, sondern vor allen Dingen im Grad der Selbstbestimmung. Und hier kommt für mich die Arbeit ins Spiel.
Ich denke es ist unstrittig, dass man nicht finanziell frei ist, solange man in einem Angestelltenverhältnis Zeit gegen Geld tauscht, um so sein Leben zu finanzieren. Das kann sich mal von der angenehmeren Seite zeigen, mal von der unangenehmeren Seite.
Was ich ablehne, ist die grundsätzliche Annahme, dass finanzielle Freiheit nur aus völlig passivem Einkommen eine echte finanzielle Freiheit sei. Ich sehe es so: Arbeit und finanzielle Freiheit können gute Partner sein. Hierzu ein Szenario, das meinen Gedanken verdeutlichen soll.
Angenommen, ich erwirtschafte schon mehr als die Hälfte meiner Lebenshaltungskosten aus Kapitalerträgen – ich habe also schon ein paar Hundertausend, wo und wie auch immer, investiert. Weil ich finanziell nun sehr gut dastehe, reduziere ich die Arbeitszeit meiner Vollzeitstelle auf die Hälfte. Der zuletzt als lästig empfundene Job könnte nun sogar etwas Spaß machen.
Außerdem habe ich deutlich mehr Zeit, um vielleicht eigene Geschäftsideen zu entwickeln. Was ich sagen will: Obwohl ich per Definition noch nicht finanziell frei bin, ist die Bedeutung des Einkommens aus der Anstellung schon stark zurückgegangen. Durch das schon vorhandene Vermögen stehen Möglichkeiten offen, an die vorher nicht zu denken war – ist es nicht auch eine Art finanzielle Freiheit, wenn ich 5 Jahre ausschließlich von meinem Ersparten leben könnte? Was in dieser Zeit alles passieren und entstehen könnte..
Das Risiko, alternative Einkommensquellen neben dem klassischen Erwerbseinkommen auszutesten, nimmt mit wachsendem Vermögen deutlich ab. Andersherum ausgedrückt, steigt dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass man sich weitere Einkommensquellen aus völlig selbstbestimmter Arbeit schaffen kann. Ob das nun neue Investitionsmöglichkeiten sind oder wirklich der Aufbau eines eigenen Unternehmens ist. Diese Art von Arbeit steht der finanziellen Freiheit ja absolut nicht entgegen, sondern beflügelt sie eher und konnte ja erst durch die ‚partielle‘ finanzielle Freiheit entstehen.
Für mich sind die finanzielle Freiheit und die Situation dauerhaft nicht mehr arbeiten zu müssen daher zwei verschiedene Ziele. Finanzielle Freiheit beginnt dann, wenn ich weitgehend selbst bestimmen kann, wann und wieviel ich arbeite. Das dauerhafte „Nichts-Tun“ könnte ich mir persönlich gar nicht vorstellen, es würde auch nicht meiner Philosophie entsprechen. Die Freiheit aber, selbstbestimmt mal ein paar Tage, Wochen oder Monate „nichts zu tun“, d.h. keiner Erwerbsarbeit nachgehen zu müssen, halte ich für erstrebenswert.
Zusammenfassend sehe ich also die finanzielle Freiheit von der strengen Definition der vollständigen Deckung der Fixkosten aus passiven Kapitalerträgen losgelöst. Finanzielle Freiheit bringe ich vielmehr mit dem Vorhandensein eines finanziellen Puffers in Verbindung. Meines Erachtens ist die finanzielle Freiheit auch dann schon erreicht, wenn ich in der Lage bin, 5 oder mehr Jahre ausschließlich vom Vermögen inkl. dessen Erträgen leben zu können. Diese Zahl ist willkürlich festgelegt. Finanzielle Freiheit ist insofern auch ein Prozess und kein An/Aus-Schalter.
Wenn das Vermögen schon diese Größenordnung erreicht hat, kann ich schon finanziell frei und selbstbestimmt agieren und habe die klassische Abhängigkeit des Tauschgeschäfts Zeit gegen Stundenlohn lange überwunden. Aber auch wenn ich beabsichtige, bis zur Rente einen Angestelltenjob zu machen, kann ich diese Entscheidung aus der Position der finanziellen Freiheit heraus treffen. Ein möglichst hoher Grad selbstbestimmter Arbeit (was und wieviel) ist das Ziel und das „wieviel“ muss nicht zwangsläufig „0“ sein.
Einkommenssteigerung auf Prio 1
Die Grenzen der Sparsamkeit
Nach reiflichen Überlegungen komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass der wesentliche Schlüssel zum schnellen Erreichen des eben erwähnten Finanzpolsters und damit der finanziellen Freiheit in der Steigerung der Zuflüsse liegt. Damit will ich ganz deutlich machen, dass Sparsamkeit zwar auch hilfreich ist und zunächst auch die Zuflüsse steigert (weil durch weniger Ausgaben mehr von den Zuflüssen übrig bleibt). Aber: Sparsamkeit ist begrenzt. Das Brot im Aldi wird nicht günstiger, auch wenn ich nur zwei Scheiben am Tag esse. Da ist irgendwann eine Grenze erreicht.
Zusätzliches Geld als Booster für Investitionen
Anders verhält es sich beim Einkommen, insbesondere aus der vorher erwähnten selbstbestimmten Arbeit. Wenn ich es hier schaffe, mein Geschäftsmodell zu skalieren, sind die Grenzen nach oben deutlich weiter entfernt und die finanzielle Freiheit kann umso schneller erreicht werden.
Viel zu oft drehen sich die Gedanken auf dem Weg zur finanziellen Freiheit um die „richtigen“ Finanzprodukte, die „richtige“ Anlagestrategie und dergleichen. Die Art und Weise wie man investiert, bleibt natürlich wichtig und auch ich bin daran interessiert, die bestmöglichen Renditen im Rahmen meiner persönlichen Risikobereitschaft zu erzielen. Von größerer Bedeutung und auch im Bereich des Möglichen ist aber die Vergrößerung des Einkommens.
Eine Frage des Fokus
Das muss der Fokus sein – viel hilft viel! Spätestens wenn ich durch zusätzliche Einnahmen „auf einmal“ 10.000 Euro mehr als Investitionsmasse zur Verfügung habe, treten TER-Vergleiche von ETFs oder ähnliche, vergleichsweise unwichtige Entscheidungen, in den Hintergrund.
Damit will ich das Investieren an sich keinesfalls kleinreden, ich sehe meinen Fokus mittlerweile aber klar auf der Generierung von Einkommen, von Cashflow. Damit meine ich an dieser Stelle nicht den Cashflow aus Investitionen, sondern den Cashflow vor den Investitionen, der für mich den größten Hebel überhaupt darstellt.
Das ist nun ganzheitlich betrachtet kein ganz neuer Gedanke. Die Darstellung in einem eigenen Artikel halte ich aber in diesem Fall für besonders wichtig, weil ein Gedanke alleine nicht reicht. Diese wichtige Information gehört für meine Begriffe ins aktive Bewusstsein. Im Überangebot an Investitionshilfen und Spartipps braucht dieser ganz wesentliche Ansatz einfach mehr Aufmerksamkeit.
Zum Abschluss noch einmal: Die finanzielle Freiheit bildet für mich die Basis und Voraussetzung des für mich höheren Ziels der Selbstbestimmung. Geld bleibt also Mittel zum Zweck. Dabei sind sowohl die finanzielle Freiheit als auch die Selbstbestimmung graduelle Zustände, die sich immer weiter ausbauen lassen.
Ich hoffe mit meinen Ausführungen mein Bild der finanziellen Freiheit und wesentliche Faktoren auf dem Weg zur finanziellen Freiheit nachvollziehbar dargestellt zu haben. Wie siehst Du die ganze „Angelegenheit“? Bin gespannt auf die Kommentare.
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